Artikel aus der AHGZ vom 13.07.2022

HOTELMARKT REPORT NRW 2022 – Hotelstandorte unter der Lupe

Welche Hotelmärkte haben die Krise am besten überstanden? Und wo bieten sich auch unter den veränderten Vorzeichen noch Chancen für Investoren? Diese Fragen beleuchtet der aktuelle Hotelmarkt Report NRW mit einem Ranking der 15 wichtigsten Destinationen.

Vor allem Köln und Bonn als bestbewertete Städte des landesweiten Vergleichs bieten demnach Chancen für Hotelentwicklungen. In Münster, Aachen und dem aufstrebenden Bielefeld steckt ebenfalls noch Potenzial. Nach zehn Jahren konstanten Wachstums auf dem Hotelmarkt Nordrhein-Westfalens fielen die landesweiten Übernachtungszahlen 2021 auf unter 30 Millionen und lagen damit um 44,4 Prozent unter denen des Rekordjahres 2019. Ein Beleg dafür, dass die von einem hohen Anteil an Geschäftsreisenden geprägte Destination NRW besonders unter der Pandemie gelitten hat. Entsprechend wurde das Land im Bundesvergleich der Übernachtungszahlen von Schleswig-Holstein und Niedersachsen überholt und rutschte auf Platz fünf ab. Innerhalb des bevölkerungsreichsten Bundeslandes vollzog sich parallel die gleiche Entwicklung: Spitzenreiter bei den Übernachtungszahlen in den zwölf regionalen Reisegebieten war nicht mehr die normalerweise dort “gesetzte” Top-Destination Köln, sondern der touristisch geprägte Teutoburger Wald, gefolgt vom Sauerland.

Köln büßt ein, ist aber immer noch Spitze

2019 war für Köln erstmals in der Geschichte des Hotelmarkt-Reports NRW die Klassifizierung Dreifach-Plus im Schollen-Scoring vergeben worden. Die Pandemie traf die Domstadt massiv: Mit einem gegenüber dem Vorkrisenniveau zuletzt um 59 Prozent gesunkenen Übernachtungsvolumen ist Köln nach Düsseldorf die am härtesten getroffene Destination im Städte-Vergleich. Die Experten rechnen aber damit, dass sich NRWs größter Hotelmarkt zügig wieder erholt.

Dafür spricht der Mix aus Business- und Freizeitreisenden, der in der Vergangenheit zuverlässig für eine Bettenauslastung oberhalb der 50 Prozent sorgte. Zudem wuchs die Nachfrage in den Vor-Covid-Jahren regelmäßig stärker als das Bettenangebot. Letzteres wird sich bis 2025 mit Blick auf die 2020/21 bereits realisierten und noch in der Pipeline befindlichen Projekte um rund 18 Prozent erhöhen. Aus Sicht des Schollen-Teams ist das durchaus noch ein gesundes Wachstum. Dessen Fazit: “Köln bleibt für Investoren und Hotelgesellschaften weiter ein attraktives Ziel.” Dokumentiert wird das mit einem Doppel-Plus-Scoring und weiterhin Platz 1 im Ranking.

Hotelschließungen in Bonn

Der Nachfrage-Einbruch durch Corona hat den Strukturwandel in der Hotellerie zugunsten der großen Ketten und zulasten der privaten Betreiber massiv beschleunigt. Besonders drastisch ist diese Entwicklung in Bonn abzulesen, das einen echten Sonderfall innerhalb des Städterankings bildet: Rund 20 Hotels mit zusammen rund 1500 Betten wurden von 2020 bis heute geschlossen, gut zwei Drittel dieser Betten fanden sich in privat geführten Häusern. Diese Entwicklung mit einem Betten-Minus netto von über 12 Prozent – Spitzenwert innerhalb der Top-15-Städte – kommt aus Sicht der Report-Autoren überraschend, weil der Bonner Hotelmarkt seit Jahren sehr stabil performt und als einer der attraktivsten in NRW gilt. Das unterstrich nicht zuletzt das Doppel-Plus-Rating in den drei bisherigen Städterankings des Reports.

Auch in der Krise zeigte Bonn noch Stärke, nämlich 2021 die mit 28,2 Prozent beste Bettenauslastung aller untersuchten Standorte. Das Schollen-Team vermutet daher die Ursache für die drastische Marktbereinigung in strukturellen Defiziten bei den betroffenen Betrieben, die durch die Coronakrise offengelegt wurden.

Weil auch für Bonn nach überwundener Pandemie wieder gesunde Marktverhältnisse wie vor 2019 erwartet werden, bietet der Bettenrückgang für Investoren unverhoffte Chancen in der Stadt am Rhein. Das gilt umso mehr, weil die Projektpipeline, nachdem das prizeotel in diesem Jahr eröffnet hat, bis 2025 aktuell komplett leer ist. „Potenzial sehen wir für das markengebundene Economy- und Budget-Segment, Boutique-Konzepte und den Bereich des temporären Wohnens“, so das Fazit des Reports, der Bonn deshalb als einzige Stadt neben Köln mit Doppel-Plus klassifiziert und weiter auf Platz zwei führt.

Düsseldorf: Stärkster Einbruch und heftigster Wettbewerb

Ganz anders als in Bonn stellt sich die Situation in Düsseldorf dar: Die Landeshauptstadt ist und bleibt zwar ein starker Makrostandort und nach Köln der größte Hotelmarkt in NRW, verzeichnete aber als ausgeprägte Business- und Messedestination mit dem höchsten Anteil internationaler Gäste bei den Übernachtungen ein Minus von 61 Prozent gegenüber 2019 – der heftigste Einbruch aller 15 Städte. Gleichzeitig setzt sich der seit Jahren anhaltende Betten-Boom ungebremst fort: Bis 2025 werden gegenüber dem Jahr 2020 rund 6000 Zimmer neu an den Markt gebracht worden sein, das ist ein Zuwachs von 40 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Beispielhaft dafür steht das 2022 eröffnete Trio aus Adina, Hampton by Hilton und Premier Inn am Hauptbahnhof mit zusammen 717 Zimmern.

Die drei Häuser von Adina, Hampton by Hilton und Premier Inn bringen zusammen 717 neue Hotelzimmer auf den Düsseldorfer Markt. Damit ist die Projektentwicklung der GBI eine größten in Deutschland überhaupt. Verkauft wurde der Immobilienkomplex, zu dem weitere Nutzungsarten wie Gastronomie, ein Parkhaus und eine Kita gehören, bereits vor Baubeginn an DWS für einen Fonds. Impressionen vom Areal und aus den Hotels.GBI Holding AG

Vor diesem Hintergrund sehen die Schollen-Experten extreme Wettbewerbsbedingungen insbesondere auf die Privathotellerie zukommen, die ohnehin schon auf dem Rückzug ist. 77,5 Prozent der Zimmer gehören bereits zu Markenhotels, der zweithöchste Wert in NRW. Diese Daten schlagen sich auch auf die Wertung im Hotelmarkt-Report nieder: “Nach Überwindung der Pandemiefolgen sehen wir zwar weiterhin eine positive Nachfrageentwicklung für die Landeshauptstadt, jedoch wird dies auf absehbare Zeit nicht annähernd ausreichen, um das stark wachsende Zimmerangebot zu kompensieren”, so die Prognose der Autoren. Neue Hotelentwicklungen sind aus ihrer Sicht nur noch in absoluten Ausnahmefällen sinnvoll. Deshalb stuften sie die Landeshauptstadt zum zweiten Mal in Folge im Scoring eine Stufe herab, mit dem Rating Neutral rangiert Düsseldorf nur noch auf Platz 5.

Münster und Aachen rücken vor

Die Rheinmetropole musste damit auch Aachen und Münster an sich vorbeiziehen lassen, deren Hotelmärkte 2022 mit dem Rating Einfach Plus klassifiziert wurden. Münster bewies auch in der Krise seine Stärke: Gegenüber dem Rekordjahr 2019 mit knapp 900.000 Übernachtungen brach der Markt 2021 “nur” um 41 Prozent ein, das ist der niedrigste Rückgang aller Top-15-Städte. Auch die Bettenauslastung lag mit 27,5 Prozent sehr nahe am Wert des Spitzenreiters Bonn.

Die besondere Qualität des Hotelmarkts in der westfälischen Universitätsstadt, der bereits im ersten Report 2015 als “Hidden Champion” eingeschätzt wurde, haben inzwischen diverse Investoren erkannt und sind in Münster aktiv geworden. Sie sorgen dafür, dass die Angebotsseite bis Ende 2022 gegenüber 2019 um 700 Zimmer wächst und die Markenhotellerie erstmals mehr als 50 Prozent Marktanteil haben wird. Das ist aber immer noch der niedrigste Wert aller untersuchten Städte und lässt noch viel Luft nach oben für aktuelle Konzepte von Hotelketten. Weil gleichzeitig alles für eine zügige Rückkehr zur hohen Nachfrage auf dem Niveau von 2019 spricht, sieht der Report in Münster jetzt den drittstärksten Hotelmarkt in NRW und bewertet die Aussichten für weitere Hotelinvestments positiv. Potenzial sieht man speziell für markengebundene Projekte außerhalb des bereits stark vertretenen 4-Sterne-Segments in sehr guten Lagen sowie für temporäres Wohnen. Letzteres rückt insbesondere in Form von Serviced Apartments übrigens immer stärker in den Fokus von Investoren und Hotelgesellschaften.

Genau wie Münster gegenüber 2019 einen Platz gut gemacht hat Aachen auf Rang 4. In der Kaiserstadt war die Nachfrage vor der Pandemie über Jahre hinweg deutlich stärker gewachsen als das Zimmerangebot und hatte Aachen verbunden mit einer Bettenauslastung von mehr als 50 Prozent schon im Report 2019 zu einem der Aufsteiger gemacht. Das Schollen-Team geht davon aus, dass sich der positive Nachfragetrend in Aachen fortsetzen wird, wenn die Pandemie überwunden ist. Zwar ist der Anteil der Markenhotellerie mit 72 Prozent relativ hoch ist, aber für die kommenden Jahre stecken keine weiteren Projekte in der Pipeline. Potenzial bestehe hier weiter für Hotelentwicklungen in ausgewählten Lagen und temporäres Wohnen.

Potenzial in Bielefeld

Im Städte-Ranking bilden die fünf Standorte mit neutralem Scoring das Mittelfeld. In dieser Gruppe sticht Bielefeld als aufstrebende Destination auf Platz 6 heraus. Die ostwestfälische Großstadt hat während der Krise viertbeste Bettenauslastung im Land geschafft und hat noch Spielraum nach oben. Dafür sprechen der mit 52 Prozent zweitniedrigste Anteil der Markenhotellerie im Ranking und die Situation auf der Angebotsseite. Zwar wird sich die Zimmerzahl bis 2025 gegenüber 2020 um 27 Prozent erhöhen, in den vier Jahren davor gab es in Bielefeld aber eine Phase ohne relevanten Zimmerzuwachs. Deshalb sehen die Schollen-Experten noch ein gewisses Potenzial gerade für markengebundene Produkte in den derzeit noch durch die Privathotellerie geprägten mittleren und unteren Marktsegmenten sowie – auch hier – für temporäres Wohnen.

In die neutrale Zone des Rankings hat es mit Essen nur eine der großen Ruhrgebietsstädte geschafft. Insgesamt leiden die sechs wichtigsten Destinationen im industriellen Herz NRWs unter ihren makroökonomisch schwächeren Rahmendaten, zunehmendem Wettbewerbsdruck auf ihren Hotelmärkten und auch in der Pandemie unterdurchschnittlicher Auslastung. Dass Essen als einziger Standort nicht unter dem Strich liegt, hat maßgeblich mit dem Ende des über Jahre sehr dynamischen Zimmerzuwachses in der Krupp-Metropole zu tun. Weil gegenwärtig keine neuen Hotelprojekte bekannt sind, wird sich die Wettbewerbssituation auf absehbare Zeit und damit auch nach Ende der Pandemie zumindest nicht weiter verschärfen, während dann von einer Erholung der Nachfrage ausgegangen werden kann. “Für markengebundene Budget-Hotelprojekte in ausgesuchten Lagen sowie temporäres Wohnen könnte noch gewisses Potenzial vorhanden sein”, lautet daher das Fazit im Report.

Ähnlich wie Essen hatte Dortmund als zweite große Ruhr-Destination 2019 mit rund 1,3 Millionen Übernachtungen einen Rekordstand aufzuweisen. Hier fällt der Corona-Einbruch um 55,6 Prozent aber mit einer massiven Ausweitung der Zimmerkapazitäten zusammen. Fünf große Hotelprojekte werden das Bettenangebot bis 2025 um 30 Prozent gegenüber dem Jahr 2020 ausweiten. Selbst bei einer Rückkehr zu den starken Übernachtungszahlen werden Bettenauslastungen an die 50 Prozent, die Dortmund im Rekordjahr 2019 erreichte nicht mehr realistisch sein. Daher rutscht auch Dortmund in den Bereich Einfach-Minus. Dort trifft es auf Bochum, wo es mit einem erwarteten Zimmerzuwachs von rund 40 Prozent bis 2024 auf dem Hotelmarkt sehr schwierig werden kann. Duisburg komplettiert das Ruhr-Trio in dieser Kategorie.

Oberhausen, Gelsenkirchen und Krefeld mit Doppel-Minus

Am Ende des Feldes rangieren drei Destinationen im Doppel-Minus-Bereich. Während das bei Gelsenkirchen und Krefeld vor allem dem sehr geringen Übernachtungsvolumen geschuldet ist, schlägt in Oberhausen der Betten-Boom der vergangenen Jahre nunmehr voll durch. Schon vor der Pandemie hatte sich die noch 2017 mit 51 Prozent auf Top-Niveau performende Auslastung auf Talfahrt begeben, nachdem das Angebot durch eine Flut von Neueröffnungen über Jahre stärker wuchs als die Nachfrage. Diese Situation gab es innerhalb der Top-15-Städte sonst nur noch in Wuppertal. Alle drei Schlusslichter bieten aktuell kaum Potenzial für neue Hotelentwicklungen.

Privathotellerie: Der Druck nimmt zu

Standortübergreifend zeigt der Report, dass die Luft für die Privathotellerie immer dünner wird – Betriebsschließungen im Zuge der Pandemie gehörten in allen Städten zum Lagebild. In Zukunft werden die kürzlich eröffneten und noch in der Pipeline befindlichen Hotelprojekte den Wettbewerbsdruck für die privaten Häuser weiter erhöhen, prognostizieren die Report-Autoren auch in Städten, in denen die Marktdurchdringung der Hotelketten bislang noch nicht besonders ausgeprägt ist. Dabei werden künftig Betriebsübernahmen und Rebrandings für Bewegung auf den Märkten sorgen. Der aktuelle Report kann bei Schollen bestellt werden.

Quelle: AHGZ-Artikel von Marina Behre, 13. Juli 2022