Artikel aus der Immobilien Zeitung Ausgabe 20/2022

Corona war ein Turbo für den Strukturwandel am Hotelmarkt

Mehr Betten, weniger Hotels: Am Düsseldorfer Hauptbahnhof hat vor kurzem ein Großprojekt der GBI mit rund 750 Zimmern in drei Hotels eröffnet. Gleichzeitig schließen viele kleine Betriebe ihre Türen für immer.

Nordrhein-Westfalen. Die Corona-Krise und neue Markenhotels haben der nordrhein-westfälischen Privathotellerie zu schaffen gemacht. Das zeigt sich besonders deutlich in Bonn, aber auch in Bielefeld, Düsseldorf und Köln. Der Markt in Münster hat der Krise dagegen relativ gut getrotzt.

Nordrhein-Westfalens (NRWs) Hotellerie ist geprägt von Geschäftsreisen, insbesondere an den großen Messestandorten Köln und Düsseldorf. Entsprechend hat der Ausfall von Messen, Veranstaltungen und sonstigen Geschäftsreisen die Hotels im Land hart getroffen. Auf der anderen Seite hätten zwar die Eifel, das Sauerland und der Teutoburger Wald relativ besser abgeschnitten als normalerweise, sagt Niels Falkenstein, geschäftsführender Gesellschafter der Schollen Hotelberatung. Der Effekt des Trends zum Urlaub im eigenen Land ist hier aber verglichen mit den großen Urlaubsregionen gering. Während sich NRW sonst bei der Zahl der Gästeübernachtungen um den zweiten Platz streite, sei das Land 2021 hinter Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf den fünften Platz abgerutscht, berichtet Falkenstein.

Das führt zu besonderes starkem Druck auf die Betriebe in NRW, der den Strukturwandel in der Branche nochmals beschleunigt – Falkenstein spricht von einem Turbo. Schon länger gibt es in Deutschland den Trend, dass große, moderne Markenhotels kleine privat geführte Herbergen vom Markt drängen. In den Vorabergebnissen des Schollen Hotelmarkt Reports NRW 2022, die der Immobilien Zeitung exklusiv vorliegen, zeigt sich der Corona-Effekt auf den Strukturwandel sehr deutlich: In den untersuchten 15 wichtigsten NRW-Märkten ist im Vergleich von 2019 zu 2021 die Zahl der Betriebe im Mittel um 4,2% gesunken, die Zahl der Betten hat aber um 1,7% zugenommen.

Besonders deutlich wird das in Düsseldorf: Hier ging die Zahl der Betriebe um 6,7% bzw. per Saldo um 14 Häuser zurück, während sich die Zahl der Betten um 1.300 erhöhte (+4,7%). Allein vergangenes Jahr eröffneten Hotels mit 1.600 Zimmern, darunter das mit 455 Zimmern größte Holiday Inn Express in Kontinentaleuropa und das mit 438 Zimmern größte Haus der Novum-Marke Niu. Ähnlich sieht es in Köln aus. Während vergangenes Jahr in Summe 20 Beherbergungsbetriebe weniger am Markt aktiv waren als noch 2019 (-8,1%), blieb die Zahl der Hotelzimmer konstant.

In Bonn hat neben Corona Motel One aufgeräumt. Per Saldo 15 Betriebe – ein Sechstel – sind vom Markt verschwunden, ebenso knapp 1.000 Betten (-12,4%). Diese hohe Zahl liegt zum Teil daran, dass mit dem Bristol und dem Residenz zwei Hotels der Centro-Gruppe dichtgemacht haben – laut Schollen Hotelberatung die einzigen Markenhotels in den untersuchten Märkten, die wirklich geschlossen und nicht nur mit einer neuen Marke versehen wurden.

Druck gemacht haben aber auch die Eröffnungen von zwei Motel-One-Hotels 2018 und 2020, berichtet Falkenstein. „Die gehen voll in die Nachfrage der Privathotels rein.“ Der Strukturwandel treffe häufig Privathotels in schlechteren Lagen oder mit Renovierungsstau, die in normalen Zeiten im Markt mitgeschwommen seien. Wenn dann aber moderne Markenhotels eröffnen oder eine Krise komme, rechneten sich diese Häuser oft nicht mehr. Gerade in Bonn sei seinem Eindruck nach die Privathotellerie schlecht aufgestellt gewesen, auch weil es lange wenig neue Konkurrenz gegeben hätte.

Für die verbliebenen Hotels erweist sich der Bettenschwund in Bonn dagegen als Segen. So hatte Bonn unter den untersuchten NRW-Märkten mit 28,2% die höchste Bettenauslastung und mit 43,7% den zweitniedrigsten Auslastungsrückgang. Die für die Hotellerie relevantere Zimmerauslastung erfassen die statistischen Ämter nicht.

Die zweithöchste Auslastung und einen ebenfalls relativ geringen Rückgang von 46,9% verzeichnet Münster. Im Gegensatz zu den anderen Städten in der Spitzengruppe liegt die Auslastungsentwicklung hier nicht an einem Bettenschwund. Im Gegenteil: In Münster hat während der Corona-Krise die Zahl der Betriebe um 5,8% und die der Betten um 15,6% zugenommen. Münster sei wenig abhängig vom Messe- und internationalen Geschäft, sondern lebe von lokalem Geschäft aus der mittelständischen Wirtschaft, erläutert Falkenstein. Hier herrsche keine Meetingkultur wie in großen Konzernen, Aufenthalte seien eher praktischer Natur und hätten häufiger auch während der Krise stattgefunden.

Ganz anders sieht das bei den Top-Standorten Köln und Düsseldorf aus, die sehr stark von Messen und internationalen Reisen abhängen. Da ist es kein Wunder, dass die Übernachtungsentwicklung in beiden Städten besonders schlecht war – in Düsseldorf (-61,4%) mit seinem ausgesprochen international geprägten Markt noch etwas schlechter als in Köln (-58,7%). Der Druck auf die Privathotellerie wird dabei gerade in Düsseldorf auch künftig nicht geringer, denn dieses Jahr sollen weitere ca. 2.500 Zimmer eröffnen. Der größte Klopper ist bereits offen: ein Großprojekt von GBI am Hauptbahnhof mit drei Hotels (Premier Inn, Hampton by Hilton und Adina) und zusammen über 700 Zimmern.

Richtig stark wird der Druck auf die Privathotellerie in den nächsten Jahren aber in einer Ruhrgebietsstadt, meint Falkenstein: „Bochum wird das neue Bonn.“ Dort habe es die vergangenen zehn Jahre nur eine relevante Hoteleröffnung gegeben. Mit Premier Inn, Holiday Inn Express, Prizehotel und einem Doppelprojekt mit B&B und Nena Apartments kämen aber bis 2025 fünf große Hotels mit zusammen rund 750 Zimmern auf den Markt – ein Zimmerzuwachs von 37%. Theoretisch, denn vermutlich werden auch in Bochum viele kleine Privathotels von den neuen Wettbewerbern verdrängt.

Quelle: Ausgabe IZ 20/2022,  Autor: Peter Maurer
Interview mit Niels Falkenstein, Schollen Hotelberatung