Artikel aus der AGHZ 08. März 2024
Pachtverträge im Wandel
„Vertrag kommt von vertragen“
Die Zeiten der klassischen langfristigen Hotelmiet- und Pachtverträge, in denen Risiken im Wesentlichen beim Betreiber liegen, sind vorbei. Nach den Krisenjahren der Branche rücken neue Vertragsmodelle in den Fokus, bei denen Hoteleigentümer und -betreiber gemeinsam im Boot sitzen. Auf dem deutschen Markt entwickeln sich nach Beobachtung von Niels Falkenstein dabei aktuell besondere Konstruktionen. Der Experte ist geschäftsführender Gesellschafter der bundesweit tätigen Schollen Hotelberatung aus Düsseldorf.
Betreiber von Hotelimmobilien mussten in den vergangen zwei Jahrzehnten schwere Zeiten überstehen: Die Terroranschläge vom 11. September 2001, der Irakkrieg 2002, die Infektionskrankheit SARS im Jahr 2003 und die Finanzkrise 2007/08 gipfelten in der Corona-Pandemie. Mit vorher nie gesehenen politischen Maßnahmen wie dem Beherbergungsverbot und dem faktischen Erliegen des internationalen Reiseverkehrs hat sie zu erheblichen und bis heute nachwirkenden wirtschaftlichen Schäden in Hotellerie und Gastronomie geführt. Der seit Februar 2022 wütende Angriffskrieg in der Ukraine führt obendrein jetzt noch zu explodierenden Energiepreisen bis hin zu Blackout-Szenarien und steigenden Inflationsraten. In dieser geopolitischen Zeitenwende herrscht branchenübergreifend Unsicherheit mit Blick auf die zukünftige Entwicklung.
Hotelgeschäft ist unkalkulierbarer und unberechenbarer geworden
Diese Krisen-Kumulation paart sich für Hoteliers mit stark gestiegenen Löhnen, einer herausfordernden Personalsituation und zunehmendem Bürokratieaufwand. Unter dem Strich stehen sie heute vor der größten wirtschaftlichen Herausforderung in der Nachkriegszeit. Das Geschäft in der Hotelindustrie ist deshalb zunehmend unkalkulierbarer und unberechenbarer geworden – mit gravierenden Folgen für das Verhältnis zwischen Vermietern und Mietern von Hotelimmobilien.
Angesichts dieser Rahmenbedingungen liegt aus Sicht von Niels Falkenstein eines auf der Hand: „Wenn der Investor einer Hotelimmobilie die Geschicke des operativen Hotelgeschäfts über 20 Jahre und länger einer Betreibergesellschaft anvertraut, dann ist es nicht mehr nachvollziehbar, das wirtschaftliche Risiko über eine so lange Vertragslaufzeit mehr oder weniger ausschließlich dem Hotelbetreiber aufzubürden. Alle zuvor aufgezeigten Krisensituationen haben sich schließlich innerhalb der Spanne eines marktüblichen Hotelbetreibervertrages zugetragen.“
Überhitzter Markt in der „goldenen Dekade“
Die seit vielen Jahren am Markt tätigen Experten der Schollen Hotelberatung wissen allerdings auch, dass nach der Finanzkrise 2008 für die Hotellerie eine „goldene Dekade“ mit kontinuierlich steigenden Übernachtungszahlen anbrach.
Die Betreiber haben in dieser Zeit gutes Geld verdient, die Hotelimmobilie wurde damit für die Banken, Projektentwickler und Investoren wieder salonfähig und als Assetklasse so attraktiv wie nie zuvor. Getrieben durch „billiges“ Geld wuchs der Anlagedruck und Investoren erweiterten Ihre Portfolien gerne mit Hotels, so dass immer mehr Beherbergungsbetriebe entwickelt und gebaut wurden. Niels Falkenstein im Rückblick: „Das Resultat des überhitzten Marktes waren und sind Überkapazitäten in Städten wie beispielsweise Düsseldorf, Frankfurt oder Hannover. In dieser heißen Marktphase wurden betreiberseitig auch Verträge mit grenzwertigen Mietkonditionen abgeschlossen, um neue Standorte zu besetzen und die Expansion voranzutreiben.“
Betreiberverträge: Krisen nicht vorgesehen
Mit Beginn der Corona-Krise wurde dann aber sehr plötzlich und massiv wieder deutlich, wie verletzlich die Hotel- und auch Gastronomiebranche tatsächlich ist. In den üblichen Hotelverträgen war solch ein Szenario dabei schlicht nicht vorgesehen. Entsprechend schwierig gestaltete sich das Verhältnis zwischen Eigentümern und Betreibern im Umgang mit den wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Sondersituation. Grob betrachtet gab es am Markt dabei zwei Szenarien.
Konfrontation oder Kooperation?
Das eine war geprägt von Konfrontation: Der Hoteleigentümer ignorierte die krisenbedingten wirtschaftlichen Herausforderungen des Betreibers und pochte auf Vertragserfüllung, insbesondere auf Zahlung der vollen Miete. Hotelbetreiber haben darauf teilweise mit dem Aussetzen oder der Kürzung von Mietzahlungen reagiert und dafür Argumenten wie höhere Gewalt oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage ins Feld geführt. Meist mit der Folge von juristischen Auseinandersetzungen, die oft noch bis heute andauern und in jedem Einzelfall geprüft und entschieden werden müssen. Mögliche Konsequenz des konfrontativen Ansatzes: die Insolvenz des Hotelbetreibers mit allen sich daraus ergebenden Folgen wie Betreiberwechsel, Leerstand oder gar einer kompletten Schließung des Betriebs. Auf jeden Fall jedoch ist das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter nachhaltig gestört und beeinträchtigt den künftigen Umgang miteinander bis zum Vertragsende.
Szenario Nummer zwei war dagegen geprägt vom Kooperationsgedanken:
Die Vertragspartner redeten miteinander und handelten so verantwortungsvoll, dass ein Fortbestand des Hotelbetriebes gewährleistet werden konnte. Zum Beispiel durch einen Mietverzicht für einen bestimmten Zeitraum, Stundung der Mietschuld oder und/oder die Neuregelung von Vertragsparametern wie Laufzeit, Miethöhe oder Indexierung. Beide Parteien kamen so ohne juristische Auseinandersetzung aus – getreu dem Motto „Vertrag kommt von vertragen!“.
Pandemieklauseln und Indexierung im Fokus
Neu zu verhandelnde Hotelmietverträge werden durch diese Erfahrungen natürlich beeinflusst. Noch hat sich aber kein Goldstandard herausgebildet, wie der Umgang mit solchen Krisen vertraglich am besten geregelt werden kann. So genannte Pandemieklauseln, deren genaue Ausgestaltung sich im Laufe der Zeit vereinheitlichen dürfte, werden aber künftig üblich sein. Die hohe Inflation wird außerdem das Thema Wertsicherung/Indexierung bei der Vertragsgestaltungen in den Fokus rücken.
Besonderheiten auf dem deutschen Markt
Auf dem deutschen Hotelmarkt gibt es darüber hinaus Besonderheiten, die zusätzlich Einfluss auf die Vertragsinhalte nehmen werden. Weil nationale institutionelle Investoren auf Hotelmietverträge mit über Fest- oder Mindestmieten kalkulierbarer Miethöhe angewiesen sind, um überhaupt investieren zu dürfen, müssen sich mögliche Veränderungen innerhalb dieses Rahmens bewegen. Ein starker Trend hin zu Verträgen mit reiner Umsatz- oder Gewinnbeteiligung oder zu Managementverträgen ist in Deutschland vor diesem Hintergrund nicht zu erwarten. Darüber hinaus scheuen Banken die Finanzierung von Hotelprojekten mit derartigen Vertragskonstruktionen.
Wahrscheinlicher ist, dass vermehrt Vertragsmodelle mit ausgewogenerer Risikoverteilung zwischen Eigentümer- und Betreiberseite zum Tragen kommen, die auch bei der finanzierenden Bank Akzeptanz finden. Zwei Beispiele für solche Konstrukte:
1. Umsatzmiete mit einer Mindestgarantie: Hier wird ein prozentualer Umsatzmietanteil mit einer vom Hotelmieter zu garantierenden Mindestmiete kombiniert. Läuft der Betrieb gut, kann der Vermieter eine überproportional höhere Miete erhalten. Gesichert und fest kalkulierbar bleibt dabei die vereinbarte Mindestmiete für den Hoteleigentümer.
2. Mietvertrag mit einem Reservefonds (CAP-Klausel): Bei dieser Form der Vertragsgestaltung bildet der Betreiber ausgehend von einer Festmiete einen virtuellen Reservefonds. Übersteigt die tatsächlich gezahlte Jahresmiete einen zuvor fest vereinbarten Prozentsatz vom Umsatz, reduziert sich der Reservefonds. Läuft der Betrieb, beispielsweise ausgelöst durch eine Krise wie die Corona-Pandemie, unterdurchschnittlich, dann schrumpft der Reservefonds überproportional schnell. Ist der Fonds komplett aufgebraucht, wird der Vertrag in einen reinen Umsatzpachtvertrag abgeändert. Bei diesem Vertragsmodell müssen sich beide Parteien auf die Höhe des CAPs und den Prozentsatz der Umsatzmiete einigen. Grundsätzlich dokumentieren sie mit dieser Form des Vertrages, dass beide Geschäftspartner bestimmte Risiken zu tragen bereit sind: Der Betreiber investiert in den Reservefonds und der Verpächter nimmt in Kauf, gegebenenfalls auf der Ebene eines in diesem Szenario weniger ertragreichen und weniger kalkulierbaren Umsatzpachtvertrages weiter zu agieren.
Das neue Bewusstsein: Beide Parteien sitzen in einem Boot.
Hotels sind klassische Betreiberimmobilie. Das Schicksals des Objekts ist also sehr eng mit der Qualität seines Mieters beziehungsweise dessen Betriebsführung verknüpft. Deshalb werden nach Einschätzung der Schollen Hotelberatung künftig die Bonität, das Renommee und die angebotenen Sicherheitsleistungen des Betreibers eine stärkere Rolle bei der Auswahl spielen. In der Beratungspraxis zeigt sich für Niels Falkenstein, dass passive Eigentümer bald die Ausnahme sind: „Die Offenlegung der wichtigsten operativen Kennzahlen durch den Betreiber wird zum neuen Standard gehören, um Immobilienbesitzern ständigen Einblick in das Betriebsgeschehen zu geben und sie in die Lage zu versetzen, frühzeitig auf mögliche Schwierigkeiten reagieren zu können.“
Unter dem Eindruck der multiplen Krisen werden die Parteien in Hotelmietverträgen verstärkt versuchen, mögliche Entwicklungen zu antizipieren und so viele Aspekte wie möglich zu berücksichtigen, um bei Problemszenarien für Orientierung zu sorgen. Unabhängig davon, wie umfangreich diese Regelungen in Detail ausfallen, sollte aus Sicht der Schollen-Experten aber eines selbstverständlich werden: das Bewusstsein, dass Hoteleigentümer und Betreiber in einem Boot sitzen und ein partnerschaftlicher Umgang Lösungen immer erleichtert.